Coronas positive Seite
Coronas positive Seite
„Das Erwachen aus dem technotopischen Schlummer, die Rückkehr der Biologie im Zeichen des Virus, zeigt: Kurven, die nach unten gehen, können Hoffnung geben, fallende Raten Zuversicht. Expansion ist kein Wert an sich, Entschleunigung kann die Sicherheit erhöhen, Resonanz ist nicht Reichweite oder Erreichbarkeit, Künstliche Intelligenz sagt niemandem, was zu tun ist, und digitales Gerät schützt nicht vor existenziellen Lebensrisiken.“ erklärt Richard David Precht, in seinem jüngst veröffentlichten Essay „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“.
Die Corona-Pandemie verbreitete und verbreitet noch immer weltweit Angst und Schrecken. Corona schenkte aber auch den bewußt ökologisch Denkenden kurzfristig Hoffnung. Anfang April gingen die globalen CO2-Emissionen um 17 Prozent zurück. Die Natur atmete auf. Über den chinesischen Industriegebieten sah man wieder das Blau des Himmel. Auch die unsichtbaren Giftgasausdünstungen am Firmament Europas verzogen sich. In den nicht länger vom Verkehr chronisch verstopften Straßen wurde das Atmen zum Genuss. In der Nähe von Parks und Grünanlagen duftete die Luft über Wochen frühlingsfrisch und würzig. Da die Autos in den Garagen blieben, breitete sich eine von vielen über Jahrzehnte so schmerzlich vermißte Ruhe aus. Die nervtötende, gesundheitsschädliche Lärmverschmutzung der Neuzeit hat der an diesem stumpfsinnigen Verbrechen als Komplize und Mittäter beteiligte Mensch ertragen gelernt.
In seiner 1908 erschienenen „Kampfschrift“ – „Der Lärm“ klagte der vergeblich auf Besserung hoffende Theodor Lessing:
„Heute bedroht dafür unser Nervensystem ein neues Geräusch, das unvergleichlich schrecklicher ist, als aller lärmende Trubel, den die einst lebenden Geschlechter von toten oder lebendigen Radauinstrumenten erdulden mussten. Ich denke an die transportablen Maschinen, die Strassenlokomobile, das Motorrad, den Motoromnibus, vor allem aber an das Automobil. Diese Entvölkerungsmaschine verändert vollkommen das Strassenbild der modernen Städte. Vierhundertpfündige Kraftbolzen rülpsen roh daher im tiefsten Tone der Übersättigung. Schrille Pfeifentöne gellen darein. Riesenautos, Achthundertpfünder, stöhnen, ächzen, quietschen und hupen. Motorräder fauchen und schnauben durch die stille Nacht. Blaue Benzinwolken rollen mit grauenhaftem Gestank über die Dächer. Bleichen das Grün der wenigen Bäume, wandern über das kleine schmale Stückchen schmutzig grauen Himmels, das zwischen den kahlen Steinmauern irgendwo noch auftaucht. Grässliche Signale durchbrechen von Zeit zu Zeit die erstickende, bleierne Dunstschicht. Das ist die Morphologie der Stadt.“
Dabei schien nur 13 Jahre zuvor die Welt – zumindest was den Verkehrslärm und die Autoraserei betrifft – noch halbwegs in Ordnung. Ein im Archiv eines niedersächsischen Automobilmuseums aufbewahrter Beleg gilt als vermutlich erster Strafzettel der Welt. Ein als „Benz-Motor-Pferd“ bezeichneter „Patent-Motorwagen Benz Victoria“ kassierte am 16. Mai 1895 einen Strafzettel für zu schnelles Fahren. Der Schwarzwälder Alexander Gütermann, stolzer Besitzer des Vehikels musste für sein Vergehen, drei Mark, das heißt den Tageslohn eines Bergarbeiters bezahlen. Gütermann soll bei seiner Fahrt durch das südbadische Städtchen Denzlingen, die innerörtlich geltende Höchstgeschwindigkeit von 6 (sechs) Stundenkilometern überschritten haben. Da es noch keine Blitzanlagen gab, musste das Flattern von Vorhängen einer Denzlinger Gastwirtschaft als Beweis genügen. Im Gespräch mit der „Badischen Zeitung“ erinnert sich Alexandra Gütermann, die Urenkelin des Verkehrssünders, dass Carl Benz die Karosse 1894 persönlich auslieferte. Wenn ihr Vorfahre mit dem Gefährt unterwegs war, sollen sich die erschrockenen Bäuerinnen am Wegesrand bekreuzigt haben. Die fromme Geste fruchtete nicht, schon bald überschwemmte das Automobil weltweit alle Straßen und Gassen.